Dienstag, 16. Februar 2010

Alte Irrtümer
(from the archive).
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Zum Beispiel gab es im Sommer 1999 in einem deutschen Rock-Magazin einen zwanzigseitigen Artikel über Klaus Schulze. Ich hatte mir damals die Mühe gemacht, diesen langen Text auf Tatsachen hin abzuklopfen. Hier ein Ausschnitt mit nur 19 der 65 von mir monierten Punkte, die ich damals der Redaktion schickte.
Leider findet man viele der hier zitierten Macken seit Jahren immer noch in diversen Artikeln (und Köpfen). Wie sagte mir mal ein namhafter - inzwischen verstorbener - Musikjournalist, nachdem ich ihn auf einige krasse Fehler in seinem Radio-Feature über KS hinwies: "Ach, es ist doch bloß Popmusik". Nun ja, dann ...


"... Bei Froese lernte [KS] eine Menge Dinge über elektronische Klangerzeugung hinzu."
= Edgar war damals auf dem Gitarren-Rock-Trip (Jimi Hendrix). "Electronic" war noch in weiter Ferne, eher als Wunsch denn Realität. Auch aus Geldmangel. "Electronic" war mehr ein Modebegriff damals, ohne dass man genau.... Folgende Geschichte ist legendär: Bei einem TD-Auftritt wollte KS präparierte Orgel-Tonbänder einsetzen (das Äusserste was damals an "electronics" erschwinglich & möglich war). Froese mochte sowas überhaupt nicht und hat es Klaus richtiggehend verboten und KS verließ deshalb das Trio. Bei Froese "electronics" lernen? Absurd.

"...als ihm der Drummerjob bei Ash Ra Tempel angetragen wurde. Bandleader Manuel Göttsching ließ..."
= Stimmt so nicht. Die Jungs nannten sich "Steeple Chase Blues Band", spielten genau das was der Name sagt, und es war (der 5 Jahre ältere) KS der sie traf und 'an die Hand nahm', den Namen "Ash Ra Tempel" erfand und den Stil änderte. Manuel war nicht der Leader sondern der Schweigsame im Hintergrund. Solange Hartmut Enke dabei war, war er der 'Motor'. All das ist seitdem zigmal von KS und Manuel erzählt worden. Noch jahrelang gingen dem sympathischen Manuel "Leader"-Qualitäten völlig ab.

"Dazu spielte er etliche Konzerte mit dem Gitarrenpionier und -experimentierer Günter Schickert..."
= "Pioniere" auf der Gitarre gab es ja: Charlie Christian, Eddie Lang, Les Paul, Django Reinhardt, Jimi Hendrix..., aber doch nicht der liebenswürdige Günter?! Außerdem gab es nicht "etliche" Konzerte von KS mit ihm, sondern nur ein Konzert, bei dem Günter bei einem Titel mitspielte (weil er als unser Roadie sowieso zugegen war).

"... Harald Großkopf ... dessen Zugehörigkeit zur Berliner Electro-Szene Klaus Schulze kannte und schätzte."
= 1976 (und davor wie danach) gehörte Harald keineswegs zur "Berliner Electro-Szene" (die damals nur aus TD & Schnitzler bestand) sondern er lebte im Ruhrgebiet, hatte gerade Wallenstein verlassen, nistete sich dann für etwa ein halbes Jahr bei uns in Hambühren ein, wollte von KS was über "electronic" lernen und war ein angenehmer, gemütlicher & lustiger Partner. Erst sehr viel später hat er ebenfalls (wie so viele andere) "electronic music" gemacht.

"...die Solo-LP von Harald Großkopf, die er wenig später für Sky Records einspielte..."
= Nun ja, es waren 4 (vier) Jahre später. Solch Zeitraum ist im Rock/Pop/Musik-Business eine Ewigkeit.

"...Body Love 1 & 2, seinerzeit skandalumwittert... zu zwei gleichnamigen Softpornos des dänischen Regisseurs... Der interessierte Käufer bekam diese Teile in etlichen Plattenläden nur unter dem Tresen durchgereicht, jawohl! Todsicher haben die Verkäuferinnen keinen einzigen Ton dieser Fusionscheiben gehört ...ohne den Ruch des Bösen sicherlich in den Hitparaden... Skandal ... "
= was mehrmals Quatsch ist. 1) Der einzige, der den Soundtrack zum Pornofilms verteidigte (meist ungefragt und unangegriffen), war KS selbst. Ein Porno verursachte doch in den Siebzigern keinen "Skandal" mehr. 2) Es gab nur einen einzigen Film "Body Love". 3) es war Hardcore und nicht "Soft". 4) Der Regisseur war und ist Italiener. 5) Der interessierte Käufer konnte die LPs wie jede andere LP kaufen, was er auch en masse tat. Body Love war sogar eine Zeit lang die Nummer 2 in den offiziellen Import-Charts der prüden USA. Ich wiederhole: "Body Love" erschien nicht in den fünfziger Jahren sondern 1977. Verkäuferinnen von LPs hatten und haben zudem anderes zu tun, als sich sämtliche vorhandenen Platten anzuhören. 6) "Fusionscheiben" = gibt's die im 'Bauhaus' oder bei 'Obi'? 7) Man kommt doch sogar eher in die Hitparaden wenn man "den Ruch des Bösen" ausstrahlt, siehe "Kiss", siehe M. Jackson's "Thriller", siehe Arthur Brown, Screaming Lord Sutch, Screaming Jay Hawkins, die ganze Punk-Bewegung, nicht zu vergessen die frühen Stones ...die der Show wegen die "Bösewichte" spielten. 7) Nicht mal die deutsche Schmuddel-Presse hat "Body Love" zu einem "Skandal" gemacht. Sogar der "Playboy" hat Schulze's Soundtrack-Platte richtig nett empfohlen. ... Und nochwas: Das Album Body Love 2 war überhaupt kein Soundtrack.

"...da nun auch schon zu damaligen Zeiten der Verkauf das A und O für jede Plattenfirma war..."
= Ach was?! Sag an! Wer hätte das gedacht? Endlich spricht's mal einer mutig aus.

"...durch die natürlich immer noch vorhandenen Connections nach Berlin war Klaus [von Herrn Schulze ist immer noch die Rede], auch im Zeichen der Neuen Deutschen Welle, auf ein Quartett gestoßen ... Ideal."
= Abgesehen davon, dass es zu der Zeit noch keine N.D.W. gab, war es Klaus D. Mueller, der Ideal 1979 in Berlin entdeckte (da hießen sie noch "X-Pectors"), das Potential erkannte, sie einlud, unter Vertrag nahm und auch produzierte. KS (wie auch sein damaliger Partner M. Haentjes, der anfänglich noch bei IC den Laden leitet) glaubten so wenig an Ideal, dass zum ersten & einzigen Mal kdm (also ich) privat die Hälfte des Vorschusses an einen IC-Act bezahlen musste. Die fertige Produktion wurde dann vielen deutschen Plattenfirmen zugeschickt oder persönlich angeboten, ALLE Berliner, Hamburer, Münchener und Frankfurter Plattenfirmen zeigten keinerlei Interesse. Also haben wir's selbst veröffentlicht, als kleines 'independent' Label.

"...in kürzester Zeit eingespielt ... die Singleauskopplung Blaue Augen toppte die Charts, das Album sauste ebenfalls auf den Spitzenplatz bei den Longplayern..."
= Das Album wurde keineswegs "in kürzester Zeit eingespielt" sondern es dauerte die übliche Zeit, also etwa einen Monat. Eine "Singleauskopplung Blaue Augen" toppte keineswegs die Charts, denn es gab überhaupt keine Single-Auskopplung (!) Das Album verkaufte zwar wie wild, aber erreichte nie "den Spitzenplatz bei den Longplayern" [in den zuvor erwähnten Charts]; ich erinnere, der höchste Stand war Platz 10. Erst nachdem das Album längst Gold und dann Platin bekommen hatte, veröffentlichten wir auch eine Maxi-Single und dann auch noch eine Single: am 1.4.1982, also sechs Wochen nachdem wir vom Album bereits 500.000 Exemplare verkauft hatten.

"rauschten die Hundertmarkscheine nur noch gebündelt in die Firma hinein und auch gleich wieder hinaus..."
= Auch wir Verrückte von IC nutzten durchaus damals schon den bargeldlosen Zahlungsverkehr, oh doch, ja.

"...dann aber trat, Wunder über Wunder, die WEA an IC heran und kaufte Ideal..."
= Die simple Wahrheit ist in diesem Falle noch viel ulkiger (hab’ ich das nicht schon im THE KS CIRCLE und in der KS-Website beschrieben?). Auch trat WEA nicht an uns heran, sondern KS bot sie allen Plattenfirmen ("wie beim Fussballspieler-Transfer") zum Höchstpreis an, denn es gab Schwierigkeiten mit den (plötzlichen) Stars.

"Arthur Brown... denn der Bursche war ja eigentlich dauernd abgedreht."
= Kann ich nicht bestätigen. Arthur war (und ist) ein ruhiger, intelligenter Profi, sowohl im Studio als auch während der Tournee. Er weiß was er tut.

"Für Sammler insofern interessant, als daß das Cover [von "Elektronik Impressionen" auf Amiga] ..."
= Weitaus interessanter als die Verpackung ist der Inhalt: Einer der Titel ist auf der Amiga-LP in voller Länge (8:20) drauf, während die "original" Brain-LP den Titel um über eine Minute gekürzt hatte. Man frage nicht wieso, ich weiß es nicht.

"Audentity, die Klaus in den Jahren 1982 und 1983 bei ... Konzerten mitgeschnitten hatte."
= Das ist mir neu. Und es geht auch nicht, denn die Konzert-Tournee anno 1983 starteten genau am Tag der AUDENTITY- Veröffentlichung (!) Das Album wurde, wie auch in der offiziellen Discography THE WORKS vermerkt, komplett im Herbst/Winter 1982 in Klaus' Studio in Hambühren aufgenommen.

"...und Aktionskünstlers Ernst Fuchs. ...stand [die LP Aphrica] in den Läden wie Blei."
= 1) Fuchs war und ist kein "Aktionskünstler", sondern im Gegenteil: er ist ganz bewusst der traditionellen Malweise verhaftet, 2) Erstens haben nur wenige Händler die LP überhaupt geordert und in ihren Laden gestellt, und zweitens wurde das Album bereits kurz nach Veröffentlichung wieder vom Markt genommen, hatte also gar keine Chance zur Bleiveredlung. Das Gros der Platten, die überhaupt in andere Hände gelangten, wurde von mir an Journalisten verschickt (300 Stück).

"...The Dresden Performance ... die erste Produktion für das Virgin-Label..."
= Nun ja, nicht ganz: Vorherige Produktionen für Virgin waren: BABEL (1987), TIMEWIND (1975), BLACKDANCE (1974).

"...die Folge war, dass 1994 die CD Moulin De Daudet [die "Le Moulin de Daudet" heißt], ein Album mit erstaunlich kurzen, eingängigen Titeln, nur in Frankreich veröffentlicht wurde. ... So endete die Zusammenarbeit [mit Virgin] nach diesem weiteren Fehlschlag."
= "Le Moulin..." war keine "Folge" von vermuteten Flops, sondern es war wieder mal ganz anders: Der Vertrag mit Virgin (London) war definitiv zu Ende, also schlicht ausgelaufen. Dann kam das Angebot eines Filmproduzenten, einen Soundtrack zu machen. Als der fertig war, meldete sich die französische Virgin - immerhin ist's ein belgisch-französischer Film mit einem sehr französischen Thema - und wir machten einen Vertrag über diese Soundtrack-Veröffentlichung. Ausserdem machten wir gleich noch einen schönen Doppel-CD-Sampler für die gleiche französische Virgin, ...und wurden nach Paris eingeflogen für zig Interviews (und Einladungen zu Mitterand und dem belgischen König. Immerhin!). Dass dieser Sampler auch noch das erste und einzige Album der französischen Virgin war, das sie in alle Welt verdealen konnten(!), machte nicht nur das Pariser Virgin-Büro bienheureux (überglücklich) sondern wiederlegt aufs schönste die oben zitierte Unterstellung des Artikels.

"...Dosburg Online... im Studio..."
= Das Album besteht aus Mitschnitten der Konzerte (!) in Duisburg und Berlin-Babelsberg.

"...Dosburg Online ...strahlt Zuversicht und Glaube an den Fortschritt aus..."
= Der gesungene Text meint das Gegenteil und sagt das auch recht drastisch.


Ähnliches in: Absurdities

Das KS-Foto oben stammt vom September 1982 und wurde höchstwahrscheinlich vom zuverlassigen Claus Cordes gemacht.


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Ich kann mich nur wundern,
dass man sich über so was noch aufregen kann. Ich bin auch bewandert in der Biographie sowie das Schaffen von ein paar Künstlern und jedesmal muss ich in der Fachpresse weiss Gott was für ein Schwachsinn über die jeweiligen Personen lesen. Und grade was elektronische Musik betrifft: Da wird Schwachsinn verzapft, kann man einfach nicht fassen und glauben und dass wo heutzutage diese Musik praktisch Mainstream ist (Klaus Schulze ist sicher nicht Mainstream, aber der Eurodance schon) wissen die Leute immer noch nicht wie es geht? Lies dir die aktuellen Tourkritiken von JM Jarre durch, ein kaltes Grausen überkommt mich da. Aber mir ist auch schon so ergangen. Wirklich ganz kleiner Auftritt, wurde aber im Lokalteil erwähnt. Wie ist dein Künstlername? Spooky Electric. Was spielst du? Housemusic. Das War es. Und was stand in der Zeitung: Heute abend gibt es spooky Housemusik mit DJ Electric. Au Au Au. Dieser Text könnte übrigens auch unter der vergessen Billie Holiday stehn...aber wer ist Ella Fitzgerald? Negermusik halt, oder?
Mir hilft da immer: Musikkritiker von Georg Kreisler

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Danke
"noch"?: Diese (schon stark gekürzte) Liste über Fehler in einem einzigen KS-Artikel ist bereits vor 11 (elf) Jahren geschrieben worden.
"Aufregen"?: Ich nehm' doch den ahnungslosen Ahnungvortäuschenden, der das verzapft hat, eher wie 'nen kleinen Jungen auf'm Arm und erzähl' ihm launig die Fakten. Man sollte sich ruhig die Mühe machen, diesen Leuten von Fall zu Fall zu zeigen, was sie alles falsch machen, vor allem wenn's so extrem ist wie hier. Diesen sehr detaillierten (!) Unsinn schrieb ja nicht irgendein junger Praktikant in einer Tageszeitung, sondern es war ein Fachjournalist; sein Name sei hier aber schamhaft verschwiegen.
Danke für Deine Reaktion.

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