Freitag, 8. Februar 2019

Aus Gründen

Hab' vorhin ein altes Taschenbuch aus dem Regal in die Hand genommen; der Titel in violetter Schrift: Aldous Huxley / Schöne neue Welt / Roman. Auf der ersten Seite steht mit Bleistift "kdm 1971", die Seiten sind schon recht vergilbt und meist lose. Ich hab's wahllos aufgeschlagen und finde folgende Zeilen, die ich bereits damals (1971) mit Bleistift unterstrichen hatte:

"Ein wirklich leistungsfähiger totalitärer Staat wäre einer, worin die allmächtige Exekutive politischer Machthaber und ihre Armee von Managern eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern beherrschen, die gar nicht gezwungen zu werden brauchen, weil sie ihre Sklaverei lieben. Ihnen die Liebe zu ihr beizubringen, ist in heutigen totalitären Staaten die den Propagandaministerien, den Zeitungsredakteuren und Schullehrern zugewiesene Aufgabe. [ . . . ] Die größten Triumphe der Propaganda wurden nicht durch ein Tun, sondern durch das Unterlassen eines Tuns vollbracht. Groß ist die Wahrheit, größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen der Wahrheit."

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Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben. Dieses Vorrecht kommt uns von Grund auf zu; und es wäre abscheulich, dass jene, bei denen die Souveränität liegt, ihre Meinung nicht schriftlich sagen dürften.(Voltaire)

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Voltaire ist ein gutes Beispiel, was für ein Ding das mit den Zitaten ist. (Das oben angeführte kann ich nicht beurteilen.)

"Ein paar oft zitierte Voltairezitate sind von Evelyn Hall erfunden, aus einem ihrer Voltairebücher, ein paar selten zitierte sind von Voltaire selbst und neunzig Prozent sind falsch zugeordnet, gut abgewandelt, gut erfunden und quicklebendig.

Wenn sich ein schöner Spruch nicht totkriegen lässt, schreibt irgendeiner Mark Twain darunter, und von dem Tag an ist es Mark Twain, oder je nachdem Goethe, Nietzsche, Marx, Henry David Thoreau usw. und es wird zuverlässig in Zeitungen zitiert werden unter diesem Namen, ohne die Quelle, das Werk, den Brief, näher benennen zu können, oftmals, weil es diese Quelle eben nicht gibt." *

*Blaise Pascal im Vorwort zu seiner Pascalschen Wette

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Ich schreib natürlich keine Binsenweisheiten vom Abreiß-Kalender ab (* den ich nicht mal habe:-)
Ich lese sehr viel, und das seit vielen Jahrzehnten. Und wenn ich was finde bei einem Autor, was MIR wichtig scheint, zitier ich's (manchmal). Es gab auch schon mal Bonmots, die kamen mir so großartig aber auch allgemeingültig vor, da hab ich dann doch mal im Netz nachgeschaut... und musste dann auch schon ein paar Mal feststellen, es ist ein längst bekannter Spruch und ich hab dann darauf verzichtet.
Echt oder erfunden: Wenn eine mir trefflich erscheinende Aussage Sinn ergibt, oder sogar eine deutliche Parallele zu dem aufzeigt, was heute passiert, ist es (mir) eigentlich Wurscht, wer das mal geschrieben hat. Höflich- und Ehrlichkeit gebieten es allerdings, den Namen jeweils zu erwähnen.
Natürlich ist auch mir klar, dass ein 'berühmter' Name unter einem Text Gewicht hat. Da das aber auch jeder Leser weiß (q.e.d.), genauso wie die häufig falsche Zitatzuschreibung, ist's wiederum einerlei.

(* eine Zeitlang bekam ich unaufgefordert ein paar Mails von einem Mitarbeiter einer deutschen Plattenfirma; der hatte tatsächlich unter jeder seiner Mails einen 08/15-Abreißkalenderspruch. Und er meinte das keineswegs ironisch).

NS: Zur Ehrlich- & Höflichkeit hier noch ein kleines positives Beispiel:
https://jeeves.blogger.de/stories/1668619/

NS 2: Ich hab mir gerade mal die letzten Zitate hier im Blog angeschaut (Milligan, Henscheid, Goldt, Canetti, Hacks,... die sind alle aus Büchern die die Genannten selbst geschrieben haben (& ich gelesen habe); ja, auch der Twain. Gerhard Richter stammt aus einem Interview, nachzulesen bei http://andremuller.com-puter.com/

NS 3; Danke für den Kommentar.

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Es geht nicht um Fakten, es geht um die vorherrschende Erzählung, [zum Beispiel...] um Geschichten vom aggressiven Russland und einem ultrabösen Putin.

Die Frage warum das geschieht, lässt sich mit einem Blick auf die Rüstungsbudgets beantworten. Aus dem desaströsen sogenannten „war on terror“ lässt sich nicht genügend Kapital schlagen, es braucht einen Großfeind, der dem militärisch-industriellen Komplex die Taschen füllt. Es soll aufgerüstet werden und dafür reichen als Drohkulisse ein paar islamistische Wickelmützen mit Kalaschnikows nicht mehr aus. Es braucht massive „äußere Bedrohungen“ und wenn die nicht vorhanden sind – der Russe macht ja keinerlei Anstalten uns anzugreifen – muss man sie an die Wand malen.


(Mathias Bröckers, Paul Schreyer: Wir sind immer die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie der Kalte Krieg neu entfacht wird, Westendverlag)

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